Bist du ein Porling?

Vergangenen Sonntag hatte ich mit meinem Mann Zeit für einen Spaziergang im nahe gelegenen Naturschutzgebiet Hudelmoos. Das ist auf alle Fälle ein Besuch wert. Ab vom Alltagsstress und dem Baulärm um unser Haus, kehrten wir in die Ruhe im Wald ein. Obwohl, ruhig war es nicht. Das Vogelgezwitscher, das Rauschen der Bäume, das Zirpen von irgendwelchen Insekten, die Frösche und vieles mehr boten eine atemberaubende Geräuschkulisse. Entlang der Wege haben der kantonale Reservatpfleger und der Ranger Hinweisschilder zu Tieren und Pflanzen angebracht. Bei einem dieser Schilder blieb mein Blick hängen und meine Gedanken nahmen Fahrt auf.

Hallo! Es freut mich, dass ich Ihnen gefalle. Ich bin ein mehrjähriger Porling. Wir haben die Aufgabe das Holz zu zersetzen und ihre Nährstoffe wieder dem Boden zuzuführen.

Hinweisschild im Hudelmoos, Amt für Raumentwicklung, Kanton Thurgau

Diese Porlinge hingen gut sichtbar an einer abgestorbenen Birke. Totholz nennt man solche abgestorbenen Baumstämme in der Fachsprache. Ich dachte über das Thema absterben und tot nach: Wenn wir bezogen auf Projekte, Ideen, Initiativen, Firmen, Vereinen, etc. von abgestorben oder tot sprechen, erwarten wir meist nichts mehr. Wir wollen das Tote oder Abgestorbene möglichst rasch hinter uns lassen und unseren Blick in die Zukunft richten. Oftmals sprechen wir dann vor allem darüber, was schlecht war und etwas zum Sterben gebracht hat.

Die Wichtigkeit von Totholz

In der Natur ist Totholz unverzichtbar. Ich habe mich im Internet etwas schlau gemacht und einiges zum Thema Totholz hat mich überrascht: Etwa ein Viertel aller Waldarten benötigt Totholz. In den letzten Jahren haben Fachleute zugunsten der Biodiversität wieder vermehrt Totholz gefördert oder geschützt. Aber die zunehmende Nachfrage nach Energieholz könnte diesen Trend stoppen oder gar umkehren.

Wie sieht das in unseren Tätigkeitsgebieten oder in den Bereichen unserer Verantwortung aus? Geben wir unsere Ideale, Ideen und Werte auf – zu Gunsten der Nachfrage oder des Trends? Der Gedanke an den Porling kann uns unterstützen, im Rückblick auf das Tote und Abgestorbene, die «Nährstoffe» zu entdecken und für die Zukunft zu nutzen.

Willst du ein Porling sein?

Ein Porling gewinnt Nährstoffe aus dem Totholz, um diese wieder dem Boden zuzuführen. Und auf diesem nährstoffreichen Boden kann Neues wachsen. Sollten wir das nicht auch in unseren Tätigkeitsfeldern mehr beachten ? Es gibt in der heutigen Zeit der grossen Erfolge und Gewinne kaum mehr Porlinge, die den Blick zurück wagen, um Gewinn daraus ziehen.

Anregungen zum Weiterdenken:

Im Rückblick auf das Abgestorbene oder Tote (nachfolgend «es» genannt), kannst du dir folgende Fragen stellen. So wirkst du als Porling!

  • Wie sah «es» in der Blüte seiner Pracht aus?
  • Welche Früchte hat «es» hervorgebracht?
  • Wovon zehren wir heute noch?
  • Welche Nährstoffe hat «es» über die Jahre erhalten?
  • Welche Wurzeln konnten wachsen?
  • Wie kam «es» zu dieser Verwurzelung?
  • Welche Nährstoffe sind im «es» verborgen, die für neues Wachstum unverzichtbar sind?
  • Wofür bist du dem «es» dankbar?